Wednesday, July 25, 2007

Rezeptive Felder

Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Karte unseres Körpers die auf der Oberfläche des Gehirns liegt, nicht statisch - sie verändert sich laufend.
Wir wissen auch dass eine auf Feedback basierende Therapie - sei es visuell über einen Spiegel oder Monitor, oder durch konzentriertes Training - "krankhafte" Veränderungen dieser Karte sehr schnell rückgängig machen kann.
Nimmt man nun noch dazu dass bei chronischen Rückenschmerzpatienten das Ausmass der Veränderung direkt mit der Zeit in der der Schmerz besteht zusammenhängt (und mit der Schmerzstärke) - entsteht für mich ein klares Bild wo die Ursache von chronischen Schmerzen zu finden ist und wie man diesem vorbeugend entgegenwirken kann.

Unsere Nervenzellen (Neurone) sind für einen einzigen Zweck gebaut: Input zu empfangen. Neurone sind sehr extrovertiert ;-) und wollen ständig mit ihrer Umwelt in Kontakt stehen. Isoliert man eine Nervenzelle aus dem Gehirn und legt sie in Nährflüssigkeit in eine Petri-Schale so verlängert sie sich bis zu einem Drittel ihrer eigenen Länge! Neurone sind so "süchtig" nach Input dass sie alles nehmen was sich ihnen anbietet. Deshalb kann man sie auch mit Silikonchips bzw. "Computerchips" verbinden über die sie Signale empfangen können.

So stelle ich mir bildlich diesen Prozess vor:
Life On Titan

Hier meine Theorie: die Neurone die für die Lendenwirbelsäule zuständig sind empfangen zu wenig Input; die Ursache dafür ist der allgemeine "Bewegungsmangel" an dem reiche Industriestaaten leiden. Wir lassen bewegen statt es selber tun zu müssen. ;-) Das Gehirn versucht nun die Auflösung unserer Karte zu verbessern indem es mehr Neurone für die Karte der Lendenwirbelsäule bereitstellt. Mehr Fläche bedeutet mehr Feingefühl. Auf diese Art und Weise kann man "künstlich" die Menge an Input vergrössern. Im Prinzip kann man diesen Vorgang als fehlgeschlagenen Reparaturversuch ansehen. Denn selbst mit mehr Auflösung kommen nicht mehr Informationen im Gehirn an und der Bereich der Lendenwirbelsäule bleibt "stumm".

Warum Schmerz als Resultat?
Das hat Harris in seiner Hypothese sehr gut beschrieben: je mehr Fläche der Lendenwirbelsäule zur Verfügung steht umso grösser die Diskrepanz zwischen Bewegungsabsicht, Bewegungsempfinden und Feedback (v.a. visuell). Deshalb steigt mit der Zeit die Schmerzintensität, das Areal (ausstrahlende Schmerzen) und die Karte auf der Gehirnrinde wird grösser. Werden die 3 Faktoren wieder in Einklang gebracht dann verkleinert sich der schmerzhafte Bereich sehr schnell und die Karte schrumpft.

Wie kann man präventiv vorgehen?:
wie schön wäre es wenn man sich einfach nur mehr bewegen muss wie es die diversen Werbebotschaften versprechen.
Ganz so leicht ist es dann doch nicht: viele Patienten sind enttäuscht wenn sich an ihren Schmerzen auch nach längerem Training nichts verändert. Meist werden nämlich beim Training die Prinzipien die ich hier beschrieben habe nicht beachtet so dass dem Gehirn gar keine Möglichkeit gegeben wird sich anzupassen und eine neue Struktur anzunehmen.
Andererseits sollte auch eine kleine feine Umstellung im Lebenswandel erfolgen - denn Training alleine reicht oft nicht aus.

Am meisten können wir von den Schimpansen lernen: ihr "Grooming behavior" - also das gegenseitige Fellreinigen ist dafür das beste Beispiel. Hier bekommt der Rücken jede Menge kleine Impulse. Etwas ähnliches kann man im Haushalt mit so einfachen Sachen wie einem rauhen Handtuch erreichen - oder der Badebürste die ich jedem nur wärmstens empfehlen kann. Natürlich gibt es auch spezielle Rückenkratzer, etc. etc.

Alles was die Haut am Rücken in kleinen Dosen "reizt" ist gut. Und das täglich.
Wer des öfteren unter Nackenverspannungen leidet sollte mal versuchen mit einer rauhen Bürste den Bereich zwischen den Schulterblättern intensiv abzubürsten. Die Kopfbeweglichkeit z.b. beim drehen nach rechts und links ist danach oft deutlich höher.

Am interessantesten bei dieser Art der Therapie (und Prävention) finde ich dass man nur die Hautoberfläche (!) behandelt und alle anderen Wirkungen - Muskelentspannung, etc. automatisch erfolgen. Es zeigt auf sehr schöne Art und Weise wie wichtig und einflussreich Informationsfluss sein kann.

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