Wednesday, May 30, 2007

Künstliche Intelligenz

Ich muss gestehen dass ich das Thema künstliche Intelligenz (KI) nicht sehr genau verfolge. Was ich aber selber miterleben durfte war die Euphorie Ende der 80er Jahre in denen manche glaubten dass Problem wäre bald zu lösen - man braucht einfach nur mehr Rechenleistung.
Seitdem hat man nicht mehr viel von diesen Vorhersagen gehört und die meisten Ansätze sind im Sand verlaufen.

Ich frage mich auch immer wie wir eigentlich künstliche Intelligenz erzeugen wollen wenn wir noch nicht einmal wissen wie "echte" Intelligenz aussieht?
Der vielversprechnedste Ansatz meiner Meinung nach ist der von Jeff Hawkins.

Dieser Clip zeigt - auf humorvolle Weise - einige der Probleme die mit potentieller KI auftreten könnten:

Der Toaster lässt sich von seinem einprogrammierten Weg nicht abbringen und findet das eine Produkt welches seinen Spezifikationen entspricht ("So you're a waffle man"). Er ist nicht in der Lage zu abstrahieren sondern nimmt die Beschreibung wörtlich - etwas das wir Menschen genau umgekehrt perfektioniert haben - siehe dazu auch mein Posting zum Thema Kategorien.

Wednesday, May 23, 2007

Farben können lügen

Farben sind ein sehr wichtiger Bestandteil unseres täglichen Lebens.
Und wie bei allen Dingen mit denen wir täglich zu tun haben, stellt man fest, dass bestimmte Erwartungen/Vorhersagen von unserem Gehirn getroffen werden.
Diesen Effekt kann man ausnutzen um z.b. die Illusion von Tiefe in ein zweidimensionales Bild zu bringen.
Penn & Teller zeigen diesen Effekt sehr schön in diesem Videoclip:


In der Photographie macht man sich diesen Effekt auch zunutze - der graduierte Hintergrund lässt das Bild "tiefer" erscheinen als es in Wirklichkeit ist:
The Hostage Situation

Optische Illusionen sind deshalb ein so wichtiges Werkzeug im Bereich der Neurowissenschaften weil sie auf relativ einfache Art und Weise zeigen auf welchen (simplen) Regeln unser Denken und unsere Wahrnehmung beruht.
Die gleichen Prinzipien sind ausserdem auf alle anderen Arten der Wahrnehmung übertragbar; so gibt es z.b. genauso auditive Illusionen (wir hören Instrumente die gar nicht gespielt werden) - und v.a. sensorische Illusionen.

Optische Illusionen sind weithin bekannt und werden leider mehr als Vergnügen und kurzweiligen Zeitvertreib angesehen. Beschäftigt man sich aber intensiver mit ihnen und entdeckt die Querverbindungen u.a. zum Thema Schmerz kann man sie als wertvolle und extrem leistungsfähige Werkzeuge ansehen. Dazu aber in anderen Postings mehr.

Ein Tip noch zum Schluss - auf dieser Website findet man jede Menge verschiedener optischer Illusionen die auch immer wieder durch Neuzugänge erweitert wird.
Ich möchte jedem besonders diese Art von Illusion ans Herz legen.
Einfach für 20-30 Sekunden in die Mitte des Bildes schauen und danach am besten auf den eigenen Handrücken.
Selbst wenn man weiss dass sich da nicht wirklich etwas bewegen kann ist es unmöglich diesen Effekt zu unterdrücken. Das sollte einem einen Hinweis darauf geben welche "Macht" unser visuelles System ausüben kann.

Thursday, May 17, 2007

Wahrnehmung und Erwartungshaltung

In den vorausgegangenen Einträgen habe ich versucht zu zeigen dass unsere Wahrnehmung nicht so perfekt ist wie wir glauben. Wenn wir abgelenkt sind ist es möglich vor unseren Augen gravierende Veränderungen an einer Szene vorzunehmen ohne dass sie uns auffallen bzw. bewusst werden.

Ein mögliches Gegenargument ist dass die Beispiele die ich dafür gepostet habe alle mit Bewegung zu tun hatten und dass man bei einer statischen Szene kein Problem hätte bestimmte Details zu erkennen.

Zum Glück habe ich dafür vor einiger Zeit ein entsprechendes Photo gemacht:

A Bloodbath A Day Keeps The Doctor Away

Die Aufgabe: dieses Bild intensiv für ca. 1 Minute studieren und dann alle Auffälligkeiten beschreiben - die "Auflösung" erfolgt weiter unten.

Der deutsche Titel des Bildes ist "Blutbad" - ein Begriff der mindestens zwei verschiedene Bedeutungen haben kann: in der Regel stellen wir uns darunter ein Massaker vor. Die nicht-Erfüllung dieser Erwartung kann man in der Photographie (und auch anderen Bereichen) bewusst ausnutzen um einen "Aha" Effekt zu erzeugen.
Dadurch wird der Betrachter vom passiven zum aktiven Teilnehmer. Erst so wird aus einem Handwerk "Kunst" - und damit zu einem befriedigenden Erlebnis. Der Effekt eines Kunstwerks besteht in der Interaktion zwischen Zuschauer (dem Gehirn der Person) und dem betrachteten Objekt (Bild, Photo, Statue, Film, etc.).
Kunst basiert auf "simplen" Regeln die V.S. Ramachandran hier vorstellt.
Ich kann die ganze Serie seiner Reith Lectures nur wärmstens empfehlen.

Zurück zum Bild:
ich bin noch weit davon entfernt auch nur eines meiner Bilder als "Kunst" zu bezeichnen. Ich befinde mich noch viel zu sehr in der "handwerklich geschickten" Phase was das photographieren angeht. Aber ich finde immer und immer wieder dass meine beiden Hauptinteressen - Neurowissenschaften und Photographie - eine automatische Verbindung in meinen Bildern finden. So wie auch in diesem kleinen "Werk".

Und jetzt zur "Lösung":
wie schaut man sich so ein Bild an?
Wenn man das Photo zum ersten Mal sieht fängt unser Gehirn sofort an das Ganze in Einzelteile zu zerlegen und bestimmten Kategorien zuzuordnen; diese sind u.a. Bad, Spielzeug, Playmobil, Möbel, Photo, etc.
Danach wird weiter in Unterkategorien aufgeteilt: Badewanne, WC, Brause, ....

Und genau hier liegt das Problem:
Da unser Gehirn auf maximale Reaktionsgeschwindigkeit eingestellt ist (was ganz nützlich ist wenn man in der Wildnis überleben will) übernimmt es die Information über dieses Bild aus der entsprechenden Kategorie!, d.h. es verwendet nicht die tatsächliche visuelle Information sondern die Information die vor 20 Jahren oder mehr über das Konzept "Bad" abgespeichert wurde!
Unser Gehirn "erwartet" etwas (über das Konzept Bad) was gar nicht vorhanden ist bzw. bemerkt etwas nicht was tatsächlich vorhanden ist. Dadurch übersehen wir Details.

Wieso ist es denn so schwer in einem Text Schreibfehler zu finden den wir selbst geschrieben haben? Weil wir den Text nicht wirklich lesen wenn wir ihn versuchen zu korrigieren.
Der Text liegt in unserem Gedächtnis natürlich fehlerfrei vor; wenn wir ihn vom Papier oder Bildschirm lesen rufen wir die Information nicht visuell ab (dauert zu lange) - sondern unser Gehirn sendet die abgespeicherte Version. Deshalb übersehen wir selbst gravierende Fehler.
Um das Gehirn zu überlisten kann man Texte z.b. rückwärts lesen (also am Ende anfangen) weil dann unser Gedächtnis nicht eingreifen kann.

Warum ist unserem Gehirn Geschwindigkeit so wichtig und wieso probiert es immer (über Erwartungshaltungen) alles vorauszusehen?
Dank unserer Evolution wurden die "Träumer" aussortiert. ;-)
Derjenige der bei der geringsten Gefahr reagieren konnte hat überlebt. Wenn ein Raubtier plötzlich hinter einem Baum vorspringt ist es wichtig mich schnell in Deckung zu bringen - das kann ich machen wenn ich das Tier auf den ersten Blick in die Kategorie "Gefahr" unterbringen kann.
Deshalb erschrecken wir auch heute noch vor harmlosen Dingen die plötzlich auftauchen. Würde man sich Zeit für die Unterkategorisierung nehmen wäre man sehr schnell sehr tot.
Unsere Reaktion wird also durch die Kategorie bestimmt die unser Gehirn verwendet - nicht durch das was tatsächlich vorliegt.

Zum Bild: keine der Kategorien die wir verwenden enthält die Information dass Playmobilfiguren Mundwinkel haben die nach unten zeigen. Und noch viel weniger dass Augen und Mund schwarz sind. Playmobils haben immer braune Augen und grinsen die ganze Zeit. Und da unser Gehirn in Kategorien denkt fällt niemandem auf dass diese Figur anders ist. Wer es trotzdem bewusst wahrgenommen hat erhält 100 Punkte.

Die Verbindung zum Thema Schmerz ist ebenfalls sehr einfach (und unglaublich wichtig in der Therapie):
bei chronischen Patienten werden teilweise Bewegungen (bücken, heben, ...) in Kategorien eingeordnet bzw. Kategorien aktiviert die nichts mit dem tatsächlichen Geschehen zu tun haben! In diesen Fällen reicht es aus nur an eine Bewegung zu denken um eine Schmerzattacke zu provozieren. Das Gehirn erwartet Schmerz und löst ihn vorsichtshalber schon im voraus aus (Erwartungshaltung).
In diesem Fall muss die Software "umprogrammiert" und die fehlerhafte Einteilung gelöscht werden.
Wer hätte gedacht dass man durch ein einfaches (und lustiges) Photo einen der wichtigsten Grundsätze der Schmerzforschung erklären kann?!

Sunday, May 13, 2007

Die meiste Zeit sind wir alle blind

Psychologen und Neurowissenschaftler aller Richtungen haben in den letzten 50 Jahren sehr viel über uns Menschen herausgefunden. Das meiste was sie dabei entdecken ist erschreckend: wir haben kein gutes Gedächtnis sondern merken uns nur das Ergebnis einer Situation und erfinden die Details erst dann wenn wir versuchen die Erinnerung wieder abzurufen, unser momentaner "Gemütszustand" beeinflusst wie wir uns erinnern - d.h. ob die abgerufene Episode positiv oder negativ war, etc.
Auch was den Umgang mit unseren Mitmenschen angeht hat man vieles entdeckt - dazu einige Beispielvideos. Ich empfehle den dritten Video von oben.

Mit diesem Video kann man sich selbst testen (ist 6MB gross): die Aufgabe ist es nur! die Ballwechsel zwischen den Spielern mit den weissen T-Shirts zu zählen! Bitte nur die weissen Shirts!
Nachdem der Video vorbei ist sollte man sich das Ganze nochmal in Ruhe anschauen.

Und hier noch ein Video das zeigt warum Querdenken so viel Spass macht: das gleiche Prinzip (Ablenkung) kommt auch bei Penn&Teller (und anderen Magiern) zum Einsatz:


Fazit: ein Prinzip (unsere Konzentration kann nur an einem Ort zu einer Zeit sein) - und verschiedene Art und Weisen wie sich das im Alltag äussert und wie man es - z.b. für die Therapie nutzen kann.

Aufmerksamkeit, Konzentration und Multitasking

Aufmerksamkeit bzw. Konzentration ist im Bereich Schmerz ein sehr wichtiger Faktor; wird einem Schmerz, der eigentlich "harmlos" ist, zu viel Bedeutung zugemessen, so wird er stärker empfunden. Dieser Effekt betrifft den psychologischen Anteil der in einem Schmerzerlebnis mitspielt.

In der Schmerzbewältigung macht man sich diesen Effekt zunutze und versucht dem (chronisch) geplagten Patienten Ablenkungsstrategien beizubringen, die er selber nutzen kann wenn er merkt, dass seine Aufmerksamkeit anfängt sich auf den Schmerz zu konzentrieren.

Auch im akuten Bereich kommen diese Techniken zum Einsatz: unser Betriebsarzt fordert den Patienten auf zu husten wenn er ihm eine Spritze gibt und sticht dann im richtigen Moment zu.
Bei schweren Verbrennungen hat man die Möglichkeit den Patienten über eine Brille in eine virtuelle Umgebung zu versetzen in der er ein Spiel spielt, etc. um so die Stärke des Schmerzes - medikamentenfrei! - um über die Hälfte zu reduzieren.

Wie funktioniert das Ganze?
Die kurze Antwort: wir sind nicht multitaskingfähig. Zumindest nicht so wie wir uns das vorstellen; ja - wir können mehrere Sachen gleichzeitig machen - aber wir verlieren viel Konzentration und Effektivität dabei, weil unser Gehirn beim Wechsel von einer Aufgabe auf die andere viel Zeit verliert.
Konzentriert man sich also auf eine einzelne Sache dann "vergisst" man für diesen Zeitraum alles andere; daher fragt man sich auch oft wo die Zeit geblieben ist wenn man konzentriert an einem Projekt arbeitet.
Es gibt sehr nette Videos wie dieses hier die den Effekt sehr eindrucksvoll darstellen: